Ein vergessenes Fotoalbum

Beim erneuten Durchsuchen der Hinterlassenschaft meines Vaters, fand ich ein altes Fotoalbum. Ich hatte es schon mehrfach in den Händen, aber dieses Mal sah ich mir wirklich alle Fotos an. Bisher hatte ich nach den ersten Seiten aufgehört, weil sich dort nur Bilder von Fronleichnamsprozessionen auf der Leipziger Rennbahn befanden. Es folgten einige leere Seiten und dann kamen Aufnahmen, die ich nicht kannte. Zwei Bilder von jungen Frauen, mit russischer Schrift auf der Rückseite, Ein Porträtfoto von Ruth Langhammer mit Widmung und noch einige andere Bilder, die ich nachfolgend zeigen und kommentieren möchte.

Ruth Langhammer – Widmung: „In herzlicher Freundschaft! Ruth“ 21.4.1947

Ein halbes Foto einer jungen Frau  – Rückseite russisch beschrieben, nicht lesbar

russische Frau 1952

Porträtfoto einer jungen Frau, Rückseite russisch, 8.11.52, Schrift verblasst

Porträtfoto eine Mannes – Widmung Rückseite:

Waren wir auch arm und nicht an Gütern reich, so waren wir doch reich, denn unsere Wege und Gedanken waren gleich! Zur Erinnerung an gemeinsam durchlebtes, Schweres und doch voller Kameradschaft und Freundschaft, gewidmet meinem Sepp Köhler, in der Heimat am 4. Januar 1954
Gerhard(t) Krüger

Prägung: Foto-Graf Pankow – Künstleratelier

Postkarte mit Foto eine Ehepaares an meinen Großvater vom 28.5.49 aus Flaje (Fleyh) mit Zensurstempel aus Duchcov. Ich konnte sie bisher nicht entziffern.
Da ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass einer der zahlreichen Leser meines Blogs eine der abgebildeten Personen erkennt, bitte ich an dieser Stelle erneut um Mithilfe.

Ergänzung zu Ruth Langhammer

Nun ist es mir gelungen, mich mit Ruth Langhammer zu treffen. Sie lebt heute in einem Seniorenheim in Leipzig. Ruth Langhammer gründete, mit anderen Künstlern zusammen, nach dem Krieg die Leipziger Spielgemeinde in der sie während ihres gesamten Berufslebens tätig war.
An dieser Stelle nur so viel: Es ist mir gelungen zwei alte Fotos zuzuordnen. Das erste (links) ist das im o.g.  Artikel erwähnte. Mein Vater schrieb an seine Eltern, dass Ruth ihm ein Bild geschickt habe. Dieses Bild zeigt am Rand Einstichspuren, er hatte es also irgendwo aufgenäht. Das zweite zeigt sie in einem Sommerkleid. Dieses Bild lässt sich nicht genau datieren.

Ruth Langhammer

An dieser Stelle ein unbekannter, wenn auch scheinbar wichtiger Kontakt.
Im Lagerbüchlein stehen zwei Gedichte von Ruth Langhammer und eine Ruth bzw. eine Familie Langhammer ist auch mehrfach auf Karten an meine Großeltern erwähnt. Nicht zu vergessen, unter der Adresse Leipzig W34, Pflugkstrasse 11 die er für den Aufenthalt 1941/42 in Leipzig angibt, wohnt eine Langhammer, G. / Witwe [Einwohnerverzeichnis der Stadt Leipzig 1941].
Aus „ Eindrücke“ v. Sepp Köhler
Ruth Langhammer 18.12.46 (17.I.47)
Glaube nur.
Glaube nur, es kommt ein Morgen,
Da Du aus dem Hause gehst,
Noch voll winterlichen Sorgen,
Und Dich Frühlingswind umbläst !
Glaube nur, dann grünt, was heute
Dir noch tot erscheint und kahl.
Lerchen jubilieren: Freude!
Auferstehung überall!
Glaube nur, Dein Leid wird enden,
Das Dich kältend [sic!] noch umweht,
Deine Nacht, sie wird sich wenden
Wie die Erde neu entsteht !
Glaube nur, es wird geschehen,
Daß auch Dir der Lenz erblüht!
Glaube nur, im Frühlingswehen
Klingt Dir hell Dein Lebenslied.

Eine nicht datierte Karte: Habe heute von Frau Langhammer eine Karte erhalten, wo sie mir in heller Begeisterung schreibt, daß sie von Euch ein Paket erhalten hat, sie müssen sich unheimlich gefreut haben. Und ehrlich gesagt, auch mich hat es gefreut, obwohl ich weiß dass es Euch schwer gefallen sein wird. Aber sie haben bestimmt vieles auch für mich getan. Ruth muß es nicht besonders gut gehen, aber sie ist mir auf eine gewisse Art ans Herz gewachsen, obwohl wir uns nicht besonders gut verstanden haben. Sie hat mir wieder ein Bild geschickt sie schaut sehr gut aus. Aber man muß ihnen etwas helfen. …

11.11.1946: Warum schreiben Langhammers eigentlich so selten?

10.03.1947: Die Frau Langhammer schrieb mir, daß es in Leipzig ziemlich kalt war. Hat Ruth schon mal geschrieben, ich hatte ihr einige Gedichte von mir geschickt, mit der Bitte sie an [???] weiterzuleiten. Seit 29.1. habe ich auch von ihr noch nichts gehört.

Also scheint die Familie Langhammer eine doch wichtige Rolle in dieser Zeit für meinen Vater und für meine Großeltern gespielt zu haben. Leider habe ich dort noch keinen Erfolg bei der Suche.
Abschließend noch ein Gedicht von Ruth Langhammer: 18.12.46 , 17.1.1947
Herbstlied
Bist Du schon einmal dem Herbst begegnet,
Wenn er durch einen Buchenwald ging,
Wenn er des Morgens, da noch Tau an allen Gräsern hing
Das Land gesegnet?
Und sahst Du, wie von jedem Baum und Strauch
Durch seinen Feueratem überhaucht
In Purpur und in eitel Gold getaucht
Das Laub gesegnet?
Die Luft ist still und klar und Sonnenlicht
Fließt nieder von azurnem Firmament.
Die Eberesche und der Rotdorn brennt!
Das Leben triumphiert eh es verlischt.